1. Einleitung
Die evangelische Zionskirche in Berlin Mitte wurde 1866-1873 in der Rosenthaler Vorstadt, im Norden Berlins, auf einem Weinberg gebaut. Sie wurde als gelber Backsteinbau im Zuge des Historismus im Stil der Neoromanik errichtet. Der Chor weist nicht, wie üblich, nach Osten, sondern nach Norden. Der mit der Bauausführung beauftragte Architekt war August Orth. Den Vorentwurf lieferte der Architekt Gustav Müller. In wieweit Orth in die Entwurfsplanung involviert war, kann hier nicht erörtert werden.
Während des 2.Weltkriegs wurde die Kirche stark in Mitleidenschaft gezogen. Zerstört wurden das Dach, die Kirchenfenster, große Teile des Altars und der Emporenbrüstung, sowie die Sauer-Orgel. Wann die Bündelpfeiler im Kirchenschiff ihre Putzverkleidung inclusive der Kapitellen einbüßte ist unklar.
Nach dem Krieg wurde die Kirche ab 1951 notdürftig wiederhergestellt. Bei der Neueinwölbung der Decke wurden die Rippen im Gegensatz zu den noch verbliebenen Originalen über der Orgelempore, kastenförmig ausgebildet. Die Bündelpfeiler wurden neu eingeputzt. Auf das fachgerechte Ziehen der Profile mit einem Profilschlitten oder das Wiederherstellen der Kapitelle wurde verzichtet. Die Emporenbrüstung wurde mit Ziegelsteinen aufgemauert und verputzt. In den 60er Jahren bekam die Kirche ihren grünen und weißen Latexanstrich im Innenraum.
In den 70er Jahren wurde die Kirche wieder vernachlässigt. Schäden am Dach und an der Heizung wurden nicht repariert. Der Turm galt als einsturzgefährdet. In den 80er Jahren wurde das Dach grundlegend instand gesetzt. Ab 1989 wurde mit der Turmsanierung und der schrittweisen Instandsetzung der Außenhülle begonnen.
2008 wurde das Architekturbüro Chipperfield mit der Ausarbeitung einer denkmalpflegerischen Konzeption für den Innenraum beauftragt.
Seit 2009 wird die Kirche unter der Leitung von Dr. Jens Birnbaum vom Architekturbüro Dr. Krekeler & Partner in 3 Bauabschnitten stufenweise saniert. Die Vertikalabdichtung gegen den fortlaufenden Feuchteeintrag, die Installation von Sanitär-, Heizungs-, und Elektroanlagen sind weit vorangeschritten, bzw. abgeschlossen. Mit der Restaurierung der großen Maßwerkfenster und der Neueindeckung der Sakristeidächer wurde auch die Sanierung der Außenhülle beendet.
2010 begannen die Voruntersuchungen für die Sanierung des eigentlichen Kircheninnenraums. 2011 wurde die Sakristei saniert und ausgestaltet, 2012 die Kanzel restauriert, 2016 erfolgte dann die Musterrestaurierung der Vorhalle anhand der wenigen erhaltenen Befunde.
Mit der Herstellung der dokumentierten Musterfläche soll ein praktikabler Ansatz für die Planung und Ausführung der Innenraumsanierung geschaffen werden.
Für die Neugestaltung ist die Erhaltung der historischen Substanz mit ihrem ursprünglich intendierten Erscheinungsbild als Sakralraumkomposition einerseits und der Zustand der Kirche zu DDR-Zeiten andererseits zu berücksichtigen. Die Kirche war nicht nur Wirkungsstätte Dietrich Bonhoeffers, sondern auch, als ehemaliger Sitz der Umweltbibliothek Mitte, Ende der 80er Jahre zentraler Treffpunkt des Widerstandes gegen die DDR-Diktatur. Sie ist außerdem ein Identifikationsort für die Bürger, die die friedliche Revolution 1989 herbeiführten.
2. Zielsetzung
Ziel der Musterrestaurierung war es, für die Neugestaltung des Innenraums der Zionskirche eine Diskussionsgrundlage zu schaffen. Hierfür wurde ein repräsentativer Abschnitt auf der rechten Seite des Choreingangs ausgewählt. Er umfasst die historische Wandfläche incl. der drei Dienste oberhalb und unterhalb der Empore.
3. Kurze Beschreibung des aktuellen Zustandes des Innenraums
Die Emporenpfeiler und Stützen sind zu ein einem großen Teil bereits von den weißen Farbschichten befreit worden. Einige weisen großflächige raue Putzergänzungen neueren Datums auf, einige noch alte Reparaturen aus der DDR- Zeit. An vielen Stellen fehlt die Umbra eingefärbte Glätte, und der Unterputz tritt weiß hervor.
Die Ansichtsflächen der Empore sind weiß und grau mit einer abblätternden Farbschicht überzogen. Die großen grauen Flächen erscheinen sehr dicht und dominant.
Die Gewölbedecken unterhalb der Empore sind an einigen Stellen bereits freigelegt. Zu sehen ist ein sehr hell-ockriger, rötlicher Farbton.
Die Bündelpfeiler sind in mehreren Farbschichten mit unterschiedlichen Bindemittelsystemen weiß gestrichen. Festgestellt wurde geleimte Wandfarbe, Dispersionsfarbe und, vermutlich als erste Schicht, eine Art Alkydharzanstrich[1]. Die obere Schicht blättert ab. Die Pfeiler sind im Gegensatz zu den noch vorhandenen Originalen ohne großen handwerklichen Aufwand eingeputzt worden. Der einzelne Pfeiler im Bündel ist im Querschnitt nicht als Halbkreis sondern als „U“ ausgeführt worden. Da die Profile, wie bereits oben erwähnt, nicht gezogen worden, gibt es auch keine geraden Linien zwischen den Pfeileransätzen. Durch das Überputzen der Kapitellzone rutscht das Kapitell augenscheinlich in die Gebälkzone hinein mit dem Effekt, dass nunmehr das Gebälk als Kapitell in Erscheinung tritt.
[1] Es gibt dazu keine Befunduntersuchung im Sinne einer chemischen Analyse. Da die Schicht aber sehr dünn ist und im angefeuchteten Zustand glänzt und der Abbeizer für Dispersionsfarben keine Wirkung erzielte, könnte dies ein Indiz für eine Alkydharzfarbe sein.
Im Kirchenschiff gibt es viele unverputzte Flächen, so z.B. die großen Ziegelflächen, die rechtwinklig zum Choreingang über der Empore zu sehen sind.
Die historischen Flächen im Chor unterhalb der Empore sind freigelegt. Die Erst- und Zweitfassung der Teppichmalerei sind teilweise nebeneinander zu sehen. Der Zustand ist bis auf einige Fehlstellen gut, die Malerei zum größten Teil erhalten.
Einige Partien der historischen Wandflächen im Chor oberhalb der Empore sind ebenfalls bereits freigelegt worden. Zu sehen sind vor allem unterschiedliche Brauntöne und viele Fehlstellen an denen der Unterputz zu Tage tritt. Die Dienste sind dagegen noch sehr gut intakt. Der Hauptdienst unter dem Gebälk ist in einem hellen rötlichen Braun gestrichen. Die Gipsglätte der Oberfläche scheint größten Teils vorhanden zu sein.
Die Gewölbesegel sind in unterschiedlichen Grüntönen mit Latexfarbe gestrichen. Die Rippen wurden davon grau und weiß abgesetzt. Da die Farbe keinen Feuchtetransport zulässt, gab es in zurückliegender Zeit an einigen Stellen Feuchtestaus. Der Putz des Gewölbemauerwerks löste sich, oder die Farbe bildete Blasen und blätterte ab. An den Stellen ist jetzt das Mauerwerk oder der Unterputz zu sehen. Vereinzelt treten Verfärbungen und Fleckenbildung auf.
Der Fliesenfußboden ist stark geschädigt. Viele Fliesen sind gesprungen, locker, weisen Kantenabbrüche auf, oder fehlen vollständig. Einige Partien der Betonestrichflächen unter den Emporen sind zerstört.
4. Maßnahmen 2019
Die Maßnahmen wurden in zwei Abschnitte aufgeteilt. Im Frühjahr 2019 begannen die Maßnahmen oberhalb der Empore. Im Oktober 2019 bis Januar 2020 wurde die Probefläche, aufbauend auf den Erkenntnissen des 1. Bauabschnittes unterhalb der Empore fortgeführt.
Folgende Maßnahmen wurden gertoffen:
-Überarbeitung der Bündelpfeiler
-Anlegen von verschiedenen Kapitellformen
-Neuverputzen einer Wandfläche und Teile des Chorraumpodestes
-Ergänzen von Fehlstellen im Pfeiler und Profilbereich
-Entfernen des Latexanstriches an dem Deckensegel, der Wandflächen, der Bündelpfeiler, der Emporenbrüstung
-Anlegen von farbigen Musterflächen an Hand der freigelegten Farbigkeit in Lasurtechnik
-Neufassung des Deckensegels
-Freilegen der Wandmalereien unterhalb der Empore
-Retuschieren der Fehlstellen innerhalb der Wandmalereien
-Überfassen der Pfeiler und Gewölbebögen angelegt an den Befunden der Zweitfassung in Öllasurtechnik